Anstatt eine dreimonatige Veloreise ans Nordkap unternahm unser ehemalige Mitarbeiter Thierry Joerin 2020 coronabedingt eine dreiwöchige doppelte Deutschland-Durchquerung, bei der er über 2’000 Kilometer im Sattel zurücklegte. In diesem Blogbeitrag beschreibt der passionierte aber nicht vergiftete Velofahrer ungeschminkt seine Eindrücke. Für ihn wurde schneller als gewünscht klar, dass Bikepacking nicht immer nur Genuss wie aus dem Velokatalog bedeutet. Trotzdem möchte er keine Minute seines Trips missen. Wie intensiv die Reise auch für den Geist war, zeigt die Tatsache, dass er nach seiner Rückkehr noch mehrere Nächte vom Velofahren träumte. Aber lest selber!

(Bildgallerie am Ende des Beitrages nicht verpassen!)

Von Thierry Joerin. Velos sind durch die Coronakrise in aller Munde. Man hat fast das Gefühl, jeder ist auf den Geschmack des Radfahrens gekommen. Doch schon zuvor machte der neue Trend des Bikepackings von sich reden. So ist es auch bei mir angekommen und ich habe mir im letzten Jahr zum Ziel gesetzt, von Zürich ans Nordkap zu fahren. Ein Minimum an Gepäck, drei Monate Zeit und ein wenig Willenskraft, dann wird das schon gehen. Kurz nach der Idee war der Kauf meines neuen Argon 18 Dark Matter besiegelt, Taschen von Ortlieb ausgeliehen oder gekauft, einen Freund überredet und das ganze Setup in einer 5-tägigen Biketour durch die Schweiz getestet. Vielleicht habe ich es mir vor einem Jahr dann aber doch ein wenig zu einfach vorgestellt.

Aus drei Monaten wurden drei Wochen

Ein halbes Jahr später im Januar dieses Jahres begann dann die Planungsphase für den langen Trip ans Nordkap und gleichzeitig auch die Coronakrise. Schnell wurde klar, dass die Planungsphase und die Reise ins Wasser fallen. Meine Ferien wurden von mehreren Monaten auf drei Wochen gekürzt und ich hatte bis zum Start der Reise nur eine vage Vorstellung wohin es gehen sollte. Klar war einzig, was ich alles mitnehmen möchte. Also machte ich mich am ersten Tag mit Zelt, Kocher, wenigen Kleidern und Ersatzmaterial auf den Weg Richtung Norden.

Harziger Start

Die ersten Tage waren schwierig, trotz gutem Wetter, abwechslungsreicher Landschaft und wenig Wind. Doch meine Ausrüstung schlug mir aufs Gemüt. Die beiden Panier-Taschen und auch die übrigen ebenfalls nicht wirklich leichten Taschen beeinträchtigten mein Fahrverhalten und die Agilität auf den etlichen Singletrails und tiefen Kieswegen im Süden Deutschlands. Die ersten drei Tage waren mental, aber auch körperlich eine Tortur, da ich mir zwar gewöhnt bin auf dem Velo zu sitzen, nicht aber mit all dem Gepäck und auch nicht jeden Tag. Die Schmerzen an Gelenken und Muskeln waren immer präsent und wenn die Schmerzen im Nacken abklangen, traten sie im Knie wieder auf. Nach drei Tagen änderte ich somit meine Routeneinstellungen auf Komoot von Mountainbike auf Gravelbike. Die Auswirkungen dieser Einstellung waren weniger Höhenmeter und technisch einfachere Wege.

Genuss stellt sich doch noch ein

Und dann wurde es besser und die nächsten Tage waren angenehmer. Der Körper gewöhnt sich schnell an körperliche Arbeit und mit einigen Umstellungen an der Sitzposition können die belasteten Stellen ein wenig geschont werden. Zudem hatte ich das Glück für einige Tage nicht allein unterwegs zu sein und gleich zwei Ruhetage in vier Tagen einzuziehen, um mich von der ersten harten Woche zu erholen. In wenigen Tagen fuhren meine Freundin und ich dann bis in den Osten Deutschlands über Jena, Dresden, Cottbus bis nach Berlin. Diese landschaftlich abwechslungsreiche Strecke zeigte mir die Schönheit vom Reisen mit dem Velo auf.

Mental je länger desto schwieriger

In Berlin kam dann das Ende meines schon nach Tag 3 geänderten Plans und ich war wieder alleine unterwegs. Ich plante von Tag zu Tag den Weg von Berlin zurück nach Zürich. Ich nahm also Tag für Tag und merkte bald, dass die Tage immer länger wurden. Jeden Tag pendelte ich von Dorf zu Dorf, alles sah sehr ähnlich aus und die Hitze nahm zu. Zugleich nahmen Motivation und Kraft ab, da durch die wohl zu kurz gekommene Planung die Ruhetage ausfielen. Es ging nur noch darum zurück zum Start zu kommen. Die vielen Tage alleine auf dem Velo verdeutlichten mir, dass Planung, Wetterglück mit Wind und Hitze, aber auch Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg viel zur Motivation beitragen können. So kam es vor, dass ich trotz vieler Dörfer kein Wasser mehr hatte, da die Dörfer wie ausgestorben waren. Oder ich musste meine Strecke um 40 Kilometer verlängern, weil weder Campingplatz noch Hotel oder sonstige Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg waren.
Schon fast zurück in der Schweiz konnte ich mich dann wieder über Begleitung erfreuen. Meine Eltern leisteten mir die letzten drei Tage Gesellschaft und ich konnte vom Windschatten profitieren. Denn erst in der zweiten Hälfte der Tour wurde mir die Segelwirkung des Panier-Setups bewusst. Mit Gegenwind und ein wenig Steigung fühlt es sich an, als wäre man zu Fuss schneller. Durch den Windschatten meiner schnellen Begleiter, flogen die letzten drei Tage vorbei, trotz langer monotoner, aber schöner Strecken entlang am Rhein bis nach Zürich.

Zuhause im Traum weitergefahren

Mit nun ein paar Tagen Abstand zur Reise und mehreren Traumnächten, die ich weiter auf dem Velo verbracht habe, konnte ich eine gewisse Distanz zur Tour gewinnen. Alles in allem kam die Tour in Deutschland zwar landschaftlich wohl nicht an Skandinavien heran, trotzdem zeigte sich Deutschland als Veloland. 90 Prozent der Strecke konnte auf Velowegen oder Seitenstrassen mit wenig Verkehr gefahren werden und auch sonst fühlte man sich als Velofahrer sicher.

Lessons learned

Einige Dinge am Setup, vor allem aber an der Herangehensweise und der Länge der Tagesstrecken würde ich im Nachhinein ändern. Auf dem Rückweg haben sich die Tage wie Wettkämpfe angefühlt. Das Stresslevel stieg und die Motivation sank, eigentlich das, was ich vermeiden wollte. Das schwere Setup hat mir gezeigt, dass ich auf den nächsten Touren lieber auf ein wenig Komfort verzichten würde und dafür mit aerodynamischerem Setup, zum Beispiel einer Satteltasche, unterwegs sein würde.

Mit nur drei platten Reifen und keinen mechanischen Problemen passt mein Velo für solche Touren. Mir hat in den drei Wochen ausser Wasser nichts an Material gefehlt. Die Tage mit Begleitung fühlten sich in der Planung, aber auch während des Fahrens einfacher an. Somit würde ich sofort wieder auf eine Reise mit dem Velo gehen, bevorzugt jedoch gemütlich und in Begleitung.

Durch die gegebenen Umstände der Coronakrise fiel zwar die Idee mit der Tour ans Nordkap ins Wasser. Die drei Wochen auf dem Velo zeigten mir jedoch auf, dass das Velo für mich das abwechslungsreichste und somit auch das schönste Reisemittel ist, um länger Ferien zu machen und neue Orte und Wege zu erkunden.

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Marcel Kamm

Autor

Mitinhaber, Geschäftsführer. Verantwortlich für Kommunikation, Trainingsplanung, Seminare. Marcel kümmert sich um alle Belange der Kommunikation, Positionierung, Strategie und Geschäftsentwicklung. Zudem betreut er als erfahrener Coach Athletinnen und Athleten aus Triathlon, Lauf- und Radsport.

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