Mit diesem Blogbeitrag betreibt Ernährungswissenschafter Dani Hofstetter etwas „Myth Busting“ zu zwei aktuellen Hype-Diäten: Ketogene Diät und Intervall-Fasten. Prägnant, aber präzis, zeigt er auf, um was es dabei geht.

Von Dani Hofstetter*. Zu diesem Zeitpunkt im Jahr beginnt für viele Ausdauer-Cracks aus Mitteleuropa mit den ersten Trainingslagern im Süden eine wichtige Phase im Aufbau. In diesen Tagen, wo man den Alltag hinter sich lassen kann und „train-eat-sleep-repeat“ die Tagesordnung ist, informieren sich viele im Web, welche neuen Wunderwaffen in Sachen Ernährung, Training oder Material die neue Saison noch erfolgreicher machen. Spätestens seit uns ein medienbewanderter US-Politiker von Fake-News erzählt hat, wissen wir, dass nicht alles, was online zu finden ist, für bare Münze genommen werden kann.

Ketogene Diät („Keto“)

In der vergangenen Dekade mussten die armen Kohlenhydrate einen herben Imageverlust hinnehmen. Wer sich im Zivilleben an einer grossen Portion Pasta erfreut, weckt Misstrauen und Argwohn im Freundeskreis und selbst Freizeit- und Profi-Athleten haben davon abgeschworen. Eine Extremform dieses sogenannten „low carb“ (carb für Kohlenhydrat) Trends ist die ketogene Diät.

Als Notfall-Szenario für karge Zeiten mit unzureichender Kohlehydratzufuhr kennt unser Körper Ketose. „Halleluja!“, schreien nun alle Ironmänner und Ultratrail-Runnerinnen, „Ich will doch weniger von Kohlenhydraten abhängig sein, meine Fettverbrennung trainieren und auch mein Körperfett reduzieren, dann kommt mir dies gerade richtig.“ Leider ist dieser Enthusiasmus etwas verfrüht…


Ketose – die Fakten: Wer täglich weniger als 50g reine Kohlenhydrate zu sich nimmt (dies entspricht jeweils der Menge in 220g gekochter Pasta, 180g gekochtem Reis oder 110g Ruchbrot), zwingt seinen Körper in dieses „Hungerregime“ und damit zur Produktion von Ketonkörpern als Glucose-Alternative, um unser Hirn, Herz, Lunge oder unsere roten Blutkörperchen mit Energie versorgen zu können –  unsere Muskulatur kann sich weitgehend über die aerobe Energiegewinnung aus Fett versorgen. Parallel führt dies zu einer klaren Reduktion unserer Kohlenhydratspeicher (Glykogen) und gezwungenermassen mehr Energiegewinnung aus Körperfett.

Begleiterscheinung davon ist eine sehr eingeschränkte Leistungsfähigkeit, mangelnde Erholungsfähigkeit und nicht zuletzt das Fehlen von intensiveren Trainingsreizen – weil man ja keine Kohlenhydrate hat, um im aerob/anaeroben Bereich performen zu können und weitgehend über die aerobe Fettverbrennung seinen Motor am Laufen hält. Ketose führt zu einem übel-riechenden, süss-säuerlichen Atem – der Flirtfaktor ist also unter Null.

Langzeitfolgen von „Dauerketose“ sind umstritten, der aktuelle Wissensstand rät aber ab davon. Als gezielte Massnahme zur Leistungssteigerung kann ich’s definitiv nicht empfehlen. Die Extremform hat insgesamt sehr viel mehr negative und ungewisse Punkte als Vorteile. Was sich im Spitzenbereich seit mehreren Jahren positiv bewährt, ist die gezielte Periodisierung der Kohlenhydratzufuhr im Jahresverlauf. In extensiven GA1-Phasen kann die Reduktion des Kohlenhydratanteils auf mindestens 30% der gesamten Kalorienmenge Sinn machen – das sind dann aber immer noch deutlich mehr als 50 Gramm pro Tag. Für den Wettkampfeinsatz ist die Beweislage wasserdicht: wer im Rennverlauf mehr Kohlenhydrate aufnehmen kann, holt mehr aus sich heraus.

Als neueste Energiewunderwaffe preisen innovative Nahrungsmittelhersteller Ketonkörper in kleinen Trinkfläschchen an. Team Sky stand in den Schlagzeilen, weil dies angeblich die „Secrete Sauce“ von Chris Froomes Tour-Siegen sei. Eine Portion kostet etwa 35 Franken und ist damit wohl der historisch teuerste Energy-Shot. Was so teuer ist, muss Raketen-Treibstoff sein, ja? Weit gefehlt: die exogene Zugabe von Ketonkörpern soll quasi eine „Instant-Ketose“ einleiten und somit Kohlenhydrate für den späteren Rennzeitpunkt einsparen. In wissenschaftlichen Studien konnte aber bis dato keine eindeutig positive Wirkung bewiesen werden. Böse Stimmen behaupten, diese Keto-Shots schmecken so eklig, dass wer sich bei der Einnahme nicht sofort übergeben muss, unweigerlich von einem kompensatorisch-positiven Placebo-Effekt profitiere.

Intervall- oder intermittierendes Fasten

Egal ob Fitnessmagazin, Ausdauer-Blog oder Mode-Zeitschrift – wir schreiben das Zeitalter des Intervallfastens. Unser Alltag ist schon lange vom natürlichen Tag/Nacht-Zyklus entkoppelt, unser Körper hat aber eine innere Uhr, die in ungefähr 24 Stunden diverse Prozesse durchläuft und genau hier greift Intervallfasten an.

Fakten Intervall-Fasten: die Einschränkung unserer Energieaufnahme auf ein relativ kurzes Zeitfenster von 6-10 Stunden (von insgesamt 24h) soll unseren Stoffwechsel vom Dauerbetrieb entlasten und dadurch Alterungs- und Entzündungsprozesse reduzieren, Nahrungsenergie ökonomischer nutzen und uns viel leistungsfähiger machen. Für absolut passive Zeitgenossen, die sich nicht bewegen (geschweige denn Sport treiben), funktioniert das gut – erste, verlässliche Studien zeigen spannende Effekte auf Zellebene und erstaunliche Unterschiede, wie unser Körper je nach Tageszeit bzw. Wachzeit auf Nahrung reagiert.

Während bei Personen, die keinen sehr gesunden Lebenswandel führen oder bereits ein vorliegendes Krankheitsbild beklagen, positive Veränderungen erzielt werden können, soll hier mehr die Frage beantwortet werden: liegt für den ambitionierten Athleten ein möglicher Leistungsgewinn drin?

Die kurze Antwort ist klar: Nein. Wichtiger als der circadiane Rhythmus ist in diesem Fall die Belastung durch Trainingseinheiten über den Tag verteilt. Als Athleten wollen wir sicherstellen, dass unsere Energiespeicher optimal zum anstehenden Training passen. Das kann bedeuten, dass wir mal auf nüchternen Magen eine mittel-intensive Ausdauereinheit machen, dass wir mit vollen Speichern eine 5-stündige Radfahrt mit vielen harten Anstiegen bestreiten und direkt danach mit schnellem Zucker unsere Regeneration fördern – aber der zeitliche Bezug zur Belastung ist wichtiger als die Einschränkung der Nahrungsaufnahme auf einen Tageszeit-Verlauf. Wenn viele Athleten geloben, sie hätten mit intermittierendem Fasten abgenommen, liegt das vor allem daran, dass die zeitliche Einschränkung – gerade bei berufstätigen Sportlern – unweigerlich zu einem Energiedefizit führt. Und wer deutlich weniger Energie zuführt, wird unweigerlich Gewicht verlieren – in Form von Fett und Muskelmasse.

Für mich sind die sozialen, praktischen und logistischen Einschränkungen, die ein sehr spezielles Zeitfenster der Nahrungsaufnahme mit sich bringt, schon ein grosses Minus. Wenn ich dann noch die suboptimale Leistungsbereitschaft für gewisse Trainings hinzuziehe, rate ich davon ab. Spannend kann die Methode sein, wenn im Fall von Verletzungen, Rekonvaleszenz nach Operationen oder längeren Trainingspausen Athleten möglichst Ihr Gewicht halten wollen. Wer jedoch im vollen Trainingsbetrieb gezielt sein Gewicht reduzieren möchte und vor allem Körperfett abbauen und nicht wertvolle Muskulatur preisgeben will, sollte ein vertretbares Energiedefizit im Einklang mit seinem Trainingsplan anstreben. Die Ernährung muss entsprechend eingestellt sein, um übermässige „Katabolie“ (Muskulaturverlust) einzuschränken. Neben einer professionellen Planung braucht es dann vor allem ein hohes Mass an Disziplin, um Ernährungs- und Trainingsplan einzuhalten.

*Autor: Dani Hofstetter, Ernährungswissenschafter ETH, Inhaber „Dani Hofstetter Performance Nutrition“. www.danihofstetter.ch
Auch wenn ein Macaron aus unterbrochenen Schichten aus eiweisshaltigem Meringue und einer fettigen Buttercrème besteht, sind sie weder sehr „Keto“, noch „intermittierend“ 😉
Photo by Baher Khairy on Unsplash


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Marcel Kamm

Autor

Mitinhaber, Geschäftsführer. Verantwortlich für Kommunikation, Trainingsplanung, Seminare. Marcel kümmert sich um alle Belange der Kommunikation, Positionierung, Strategie und Geschäftsentwicklung. Zudem betreut er als erfahrener Coach Athletinnen und Athleten aus Triathlon, Lauf- und Radsport.

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